In German, sorry, but you may enjoy the images.
Vor kurzem habe ich das Buch 'Die helle Kammer - Bemerkungen zur Photographie' von Roland Barthes gelesen, und dachte mir, dass ich kurze Auszüge daraus mit Euch teilen könnte. Statt einer herkömmlichen Buchrezension, werde ich vielmehr sieben Textpassagen aus dem Buch zitieren, die mich auf die eine oder andere Weise zum Verweilen und zum Nachdenken angeregt haben.
Die vier ausgewählten Photos sind in dem Buch abgebildet. Statt sie einzuscannen, habe ich nach entsprechenden Verlinkungen gesucht.
Und hier (Teil II) findet ihr die Fotografien, die in dem Buch abgebildet sind.
Gleich zu Beginn hält Roland Barthes fest, dass sein Zugang zur Photographie ausschließlich der des Betrachters (spectator) und nicht des Machers (operator) sei:
Zitat 1/7
'ich bin kein Photograph, nicht einmal Amateurphotograph; dafür habe ich zu wenig Geduld: ich muß auf der Stelle sehen können, was ich gemacht habe (Polaroid ? Amüsant, doch enttäuschend, außer wenn ein großer Photograph sich damit abgibt).'
Zitat 2/7
'Gleichwohl habe ich bemerkt, daß es ..., bestimmte Photos gab, die stillen Jubel in mir auslösten, so als rührten sie an eine verschwiegene Mitte - einen erotischen Punkt oder eine alte Wunde -, die in mir begraben war (wie harmlos auch immer das Sujet erscheinen mochte); andere Photos wiederum blieben mir in solchem Maße gleichgültig, daß ich angesichts ihrer sich wie Unkraut vermehrenden Vielzahl ihnen gegenüber eine Art Abneigung, ja Verärgerung empfand: es gibt Augenblicke, in denen ich PHOTOGRAPHIEN verabscheue ...'
Zitat 3/7
'Fünfter Typ von Überraschung: der originelle Fund; Kertész photographiert das Fenster einer Mansarde; hinter der Scheibe schauen zwei antike Büsten auf die Straße (ich mag Kertész, aber Humor mag ich weder in der Musik noch in der Photographie);'
Zitat 4/7
'Ein altes Haus, ein schattiger Torbogen, ein Ziegeldach, verwitterter arabischer Zierat, ein Mann, mit dem Rücken zur Mauer sitzend, eine verlassene Straße, ein südländischer Baum (Alhambra, von Charles Clifford): diese alte Photographie (1854) bewegt mich: ganz einfach deshalb, weil ich Lust habe, dort zu leben. Diese Lust senkt sich in mich bis in die Tiefen, die mir so unbekannt sind wie ihre Wurzeln: das warme Klima ? Ein mittelmeerischer Mythos, das Apollinische ? Erbenlosigkeit ? Rückzug in die Stille ? Anonymität ? Erhabenheit ? Was es auch sei (in mir, meinen Triebkräften, meiner Phantasie), mich verlangt danach, dort unten zu leben, in edler Erlesenheit - und dieser Wunsch nach Erlesenheit wird vom touristischen Photo niemals befriedigt. Für mich müssen Photographien von Landschaften (urbanen oder ländlichen) bewohnbar sein, nicht bereisbar. '
Im folgenden zitiert Roland Barthes eine Textpassage auf dem Buch 'Gespräche mit Kafka - Aufzeichnungen und Erinnerungen von Gustav Janouch'. Ich wurde Neugierig, und habe das Buch mit grossem Interesse gelesen. Mehr dazu zu einem späteren Zeitpunkt.
Zitat 5/7
'Die Vorbedingung des Bildes ist das Sehen', sagte Janouch zu Kafka. Und Kafka erwiderte lächelnd: 'Man photographiert Dinge, um sie aus dem Sinn zu verscheuchen. Meine Geschichten sind eine Art von Augenschließen.' Die Photographie muß still sein (es gibt dröhnende Photos, ich mag sie nicht): das ist keine Frage der 'Diskretion', sondern der Musik. Die absolute Subjektivität erreicht man nur in einem Zustand der Stille, dem Bemühen um Stille (die Augen schließen bedeutet, das Bild in der Stille zum Sprechen zu bringen). Das Photo rührt mich an, wenn ich es aus seinem üblichen Blabla entferne: Technik, Realität, Reportage, Kunst und so weiter: nichts sagen, die Augen schließen, das Detail von allein ins affektive Bewußtsein aufsteigen lassen.'
Zitat 6/7
'(Gewöhnlich wird der Amateur als unausgereifter Künstler definiert: als jemand, der zur Meisterschaft in seiner Profession nicht aufsteigen kann - oder will. Auf dem Felde der photographischen Praxis dagegen überflügelt der Amateur den Professionellen: er kommt dem Noema der PHOTOGRAPHIE am nächsten.)'
Zitat 7/7
'Doch es gibt etwas Verfänglicheres, Bohrenderes als die Ähnlichkeit: bisweilen bringt die PHOTOGRAPHIE etwas zum Vorschein, was man an einem wirklichen Gesicht (oder seinem Spiegelbild) niemals wahrnimmt: einen genetischen Zug, ein Stück von sich selbst oder von einem Verwandten, das von einem Vorfahr stammt. ... Doch diese Wahrheit ist nicht die des Individuums: diese ist unteilbar; es ist die Wahrheit der Abstammung.'